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Foto: Monika Gajdzik

Interview
Dienstag, 07.03.2023 17:51 Uhr

Gordon Wild: Ich habe wieder Spaß am Fußball

Gordon Wild wechselte kurz vor dem Ende des Winter-Transferfensters nach Bocholt. Der 27-jährige blick bereits auf eine bewegte Karriere zurück: Mit 18 Jahren wagte er den Schritt in die USA, kickte dort mit Superstars wie Wayne Rooney und Chicharito, bevor ihn das Heimweh packte und er nach Deutschland zurückkehrte. Wir haben uns mit ihm zum Interview getroffen.

AM BALL: Nochmal nachträglich: Willkommen in Bocholt! Wie hast du dich eingelebt?
„Sehr gut! Die Atmosphäre war von Anfang an sehr positiv, das Kicken hat wieder angefangen Spaß zu machen, die Jungs sind korrekt und Marcus John ist ein super Typ – einfach alles gut soweit.“

AM BALL: Wie hat das Team dich aufgenommen?
„Durch den Sport findet man in jedem Team schnell einen Anschluss. Der Sport verbindet einfach unfassbar. Wenn du mit Jungs zusammen auf dem Platz kickst, dann gibt es zwar immer auch mal schwierige Charaktere, aber das ist hier in Bocholt auf jeden Fall anders.“

AM BALL: Wenn wir an den Anfang deiner Karriere schauen: Hast du schon immer in der Offensive gespielt?
„Eigentlich schon. Meine erfolgreichste Zeit war als Stürmer. Als ich in die MLS (Major League Soccer, höchste US-Profiliga, Anm. d. Red.) gekommen bin, gab es dort viele starke Spieler in der Offensive: Martinez, Chicharito oder auch Wayne Rooney. Da haben wir dann öfter auch mal experimentiert. Trainer Frank de Boer hat mich als Flügelverteidiger oder als Linksverteidiger spielen lassen. Aber ich muss ehrlich sagen, da habe ich mich nie ganz wohl gefühlt.“

AM BALL: Also am liebsten im Sturm?
„Am liebsten im Sturm vorne oder Rechtsaußen, aber dann halt offensiv.“

AM BALL: Wo begann deine Karriere?
„Ich bin in Rheinland-Pfalz aufgewachsen und dann zu Mainz 05 gegangen.“

AM BALL: Wie waren da deine ersten Jahre im Nachwuchsleistungszentrum?
„Das war was komplett anderes: Wenn man noch zuhause wohnt und bei dem regional größten Verein spielt, ist das schon toll. Aber wenn man da mit 16 dorthin kommt, war das schon wie im Profigeschäft: Leistungsdruck, teaminterner Konkurrenzkampf mit vielen starken Charakteren, wo man sich einfach durchsetzen musste. Es war also auf jeden Fall ein hartes Pflaster, mit viel Druck und einem hohen spielerischen Niveau. Es war insgesamt sehr anspruchsvoll.“ 

AM BALL: Wie alt warst du, als du in die USA gegangen bist?
„18, kurz bevor ich 19 wurde.“

Der größte Unterschied ist die Leidenschaft der Fans. Die Fankultur, die Liebe zum Sport, die ist hier anders.

Gordon Wild zu den Unterschieden in den USA und Deutschland

AM BALL: Was hat dich dazu bewogen in die USA zu gehen, was hat dich daran besonders gereizt?
„Mich hat besonders die Erfahrung gereizt, etwas Neues zu machen. Andererseits haben mir die USA eine tolle Möglichkeit geboten, mit dem Sportstipendium meinen Traum vom Fußball weiter zu verwirklichen, weil ich wusste, dass es dann die Möglichkeit gibt, in die MLS zu kommen. Ich wusste auch damals mit 19, dass es immer ein Leben nach dem Fußball gibt und mir war es sehr wichtig meinen Bachelor und meinen Master auch zu machen. Ich wusste, dass ich das dort schaffen kann und trotzdem – wenn ich die Leistung bringe – auch Profi werden kann.“ 

AM BALL: Das Sportstipendium ist in den USA eine Besonderheit, die es hier in Deutschland so nicht gibt. Wie genau muss man sich das vorstellen?
„Man wird gescoutet. Aber es gibt auch Agenturen, die Spieler aus Leistungszentren an Universitäten vermitteln. Das ganze ist in den USA auf einem anderen Level. Allein schon, was da an Geld fließt, die Infrastrukturen und so weiter. Ich würde das tatsächlich auch ganz vielen jungen Spielern empfehlen, weil das so ein gutes Sprungbrett ist: Dein Studium wird dir durch den Fußball finanziert, du bekommst viel Hilfe während des Studiums, hast geile Erfahrungen, lernst tolle Städte kennen…einfach rundum geil! “

AM BALL: Was war der schönste Moment während deiner US-Zeit?
„Das war in meinem zweiten Jahr im College, als ich bei Maryland gespielt habe. Rückblickend war das auch meine erfolgreichste Zeit: Da war ich so fokussiert, da habe ich wie am Fließband Tore geschossen. Und da kamen mich meine Eltern besuchen. Mein Vater war da schon sehr alt. Wir hatten an einem Freitagabend ein Spiel gegen Ohio State mit 7.000 - 8.000 Zuschauern im Stadion. An diesem Tag war es mir so wichtig, ein Tor zu schießen, weil meine Eltern dabei waren - und es ist mir gelungen! Danach waren wir gemeinsam in den College-Bars. Das war einfach ein sehr, sehr besonderer Tag für mich!“

AM BALL: War Heimweh ein Thema für dich?
„Grundsätzlich ist das, glaube ich, typabhängig. Die ersten zwei Jahre ging es noch, aber dann wurde das irgendwann schon ein hoher Preis, den ich bezahlt habe. Die Freundin und Familie so selten zu sehen. Nur mal kurz im Sommer und im Winter. Das ist definitiv nicht ohne, aber es kommt halt drauf an, was man im Leben möchte. Wenn man etwas wirklich will, muss man eben gewisse Sachen auch mal in Kauf nehmen. “

Foto: Monika Gajdzik

AM BALL: War Heimweh ein Thema für dich?
„Grundsätzlich ist das, glaube ich, typabhängig. Die ersten zwei Jahre ging es noch, aber dann wurde das irgendwann schon ein hoher Preis, den ich bezahlt habe. Die Freundin und Familie so selten zu sehen. Nur mal kurz im Sommer und im Winter. Das ist definitiv nicht ohne, aber es kommt halt drauf an, was man im Leben möchte. Wenn man etwas wirklich will, muss man eben gewisse Sachen auch mal in Kauf nehmen.“

AM BALL: Mit welchen Superstars hast du gespielt und wie war es, mit ihnen gemeinsam in der Kabine zu sitzen und gemeinsam zu kicken?
„Wenn man darüber nachdenkt, ist man ein wenig mehr beeindruckt, als es in Wirklichkeit eigentlich ist. Denn das sind auch nur ganz normale Typen, die einfach zocken. Natürlich wirklich gut kicken, aber die waren einfach sehr nett, hoch engagiert und absolut korrekt zu allen. Es waren tolle Erfahrungen. Chicharito war sehr kommunikativ. Wayne Rooney war eher ein ruhiger, der nicht ganz so viel geredet hat, sondern einfach auf dem Platz Leistung gebracht hat. Da waren aber insgesamt viele, z.B. bei Atlanta hab ich mit Almirón trainiert, der jetzt bei Newcastle durchstartet. Da waren viele gute Typen und gute Menschen.“

AM BALL: Was würdest du sagen, wo liegen die größten Unterschiede zwischen dem Fußball hier in Deutschland und in den USA?
„Der größte Unterschied ist die Leidenschaft der Fans. In den USA sind die Spieler – was Qualität angeht – individuell den Deutschen nicht mehr wirklich hinterher. Aber die Fankultur, die Liebe zum Sport, die ist hier anders. In den USA hatten die Fans während des Spiels eine tolle Zeit. Vielleicht beim Hotdog essen oder als Familienausflug. Aber hier in Deutschland, da sind die Fans nach einem Sieg tagelang glücklich. Das sieht man ja auch jetzt in Bocholt. Die ganze Fankultur ist hier einfach besonders.“

AM BALL: Was war dann der Grund für dich zu sagen, dass du nach Deutschland zurück kommst?
„2020 hat es angefangen, als bei meinem Vater Leberzirrhose diagnostiziert wurde. Er war wie gesagt schon sehr alt und mein Gewissen hatte sich auch davor schon immer wieder deshalb ,gemeldet‘. Und als dann die Diagnose gestellt worden ist, als ich Ende 2020 zurückkam, dachte ich schon ,Oh Scheiße’. Es kam dann nochmal ein Angebot. Mein Vater hat mir geraten, es anzunehmen. Ich bin dann auch nochmal zurück in die USA, aber mein Herz war in Deutschland bei meiner Familie und es war echt hart für mich, so dass ich 2022 aus familiären Gründen wieder nach Deutschland zurückgekommen bin. Ich wollte unbedingt bei meinem Vater sein. Es wurde bei ihm dann auch Stück für Stück immer schlimmer und da war für mich das Wichtigste, bei ihm zu sein. Ich habe dann auch acht Monate gar keinen Fußball gespielt, bis ich im Sommer 2022 beim MSV unterschrieben habe.“

Mein Herz war in Deutschland bei meiner Familie und es war echt hart für mich, so dass ich 2022 aus familiären Gründen wieder nach Deutschland zurückgekommen bin.

Gordon Wild

AM BALL: Dann warst du ein halbes Jahr beim MSV Duisburg, bevor es nach Bocholt ging. Warum hast du dich für Bocholt entschieden?
„Ganz ehrlich? Ich wollte einfach wieder kicken und die Freude am Sport zurückgewinnen. Bei Duisburg hat es ganz gut angefangen, aber dann ist es nicht so verlaufen, wie es hätte verlaufen können. War am Ende auch nicht einfach. Insgesamt war es mit das Wichtigste für mich, hier wohnen bleiben zu können, wo ich Freunde und Familie habe. Bocholt ist ja jetzt ein etwas kleinerer Verein als Duisburg, aber das war mir auf gut Deutsch scheißegal am Ende. Und hier in Bocholt ist es jetzt eine sehr interessante Herausforderung, den Klassenerhalt zu schaffen.“

AM BALL: Was glaubst du, wird entscheidend sein, damit der Klassenerhalt gelingt?
„Also ich muss ehrlich sagen: Die letzten Spiele waren wichtige Spiele und dass wir einige gewonnen haben war super, um auch wieder in eine Erfolgsspur zu kommen. Es geht einfach darum, Punkte zu sammeln. Wir sind da jetzt in einem guten Flow.“

AM BALL: Was sind deine persönlichen Stärken auf dem Platz?
„Mein linker Fuß und meine Kreativität im letzten Drittel, Chancen für mich und meine Mitspieler zu kreieren. Ich versuche einfach, immer den Unterschied auszumachen, wenn ich das kann: durch gute Pässe, Flanken, Abschlüsse.“

Vielen Dank für das Interview, Gordon Wild! Das Interview führte Stefan Schniedertöns.