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Interview
Montag, 07.11.2022 20:11 Uhr | Stefan Schniedertöns

"Wir wissen, dass das oberste Ziel der Klassenerhalt ist"

Jeffrey Obst wechselte im Sommer von Oberhausen nach Bocholt. Im Interview spricht der 28-jährige über seinen Weg vom Leichtathletik zum Fußball, Traditionsvereine und die Prioritäten zwischen Fußball und das Studium der Sportwissenschaften.

Du bist in Berlin aufgewachsen. Wie waren die ersten Jahre im Fußball für dich?
„Gute Frage. Fußball habe ich schon immer irgendwie auf dem Schulhof gespielt, eigentlich habe ich aber meine Kindheit mit Leichtathletik verbracht. Da war ich vor allem auf Kurzstrecken und bei den Sprung-Disziplinen aktiv. Ich bin dann erst über einen Freund zu einem Verein gekommen. Da war ich schon 12 Jahre alt. Und so gut kann ich mich garnicht mehr erinnern. Ich glaube, ich bin damals in meiner ersten Saison sogar abgestiegen. Das war da noch nicht so erfolgreich (lacht). Danach ging es aber jedes Jahr immer ein Stück aufwärts.“

Hast du ein Nachwuchsleistungszentrum besucht?
„Nein. Ich habe zwar U17-Bundesliga gespielt, aber das war damals nicht in einem NLZ.“

Bei Werder Bremen hast du den Sprung in die Senioren vollzogen. Was hat dich davon überzeugt, deine Heimatstadt zu verlassen?
„Meine Pläne waren eigentlich ganz anders. Die 1. Mannschaft des Vereins, bei dem ich damals war, hat Oberliga gespielt und ich dachte mir nur: 'Wie geil wär es, hier in der 1. Mannschaft Oberliga spielen zu dürfen?‘ Das waren eigentlich meine Ziele. Das war schon eine Riesensache für mich. Ich erinnere mich noch, als ich Balljunge bei BFC Dynamo Berlin war, die damals Regionalliga und Oberliga gespielt haben. Da wollte ich unbedingt hin und da wollte ich auch auf dem Platz stehen irgendwann. Bundesliga oder sowas kam in meinen Gedanken garnicht vor. In der U19-Rückrunde hat sich dann aber wohl herausgestellt, dass ich wohl doch talentierter bin als ich dachte. Dann kam Anfragen aus Wolfsburg, Hamburg und Bremen. Die Entscheidung fiel dann auf Bremen, weil ich da einfach das beste Gefühl hatte. Mein damaliger Trainer hat mich dabei dann auch unterstützt, mich nach Bremen gefahren und mir geholfen. Eigentlich wollte ich bis 30 bei Mama wohnen, aber daraus wurde nichts (lacht). Ich bin dann mit 18 ausgezogen.“

Ich hab mich dann immer mehr damit beschäftigt, den Verein verfolgt und auch gesehen, dass Spieler wie Kevin Grund und Marcel Platzek hier spielen. Dazu kommen die Ambitionen und die Strahlkraft, die ich anfangs echt unterschätzt habe.

Jeffrey Obst

Rückblickend eine Entscheidung, die du so wieder treffen würdest?
„Definitiv. Ich hatte eine unfassbar schöne Zeit, hab meinen besten Freund kennengelernt und konnte mich menschlich und persönlich entwickeln. Ich würde nichts anders machen.“ 

In deiner Vita stehen fast nur Traditionsvereine: Rot Weiss Essen, Rot-Weiß Oberhausen, Wattenscheid 09: Brauchst du dieses emotionale Umfeld?
„Das war mir eigentlich nie so bewusst. Es gibt halt hier im Westen soviele Traditionsvereine, da war das eher Zufall. Und nachdem ich einmal hier in Nordrhein-Westfalen war, wollte ich hier auch nicht mehr weg. Es war immer eine bewusste Entscheidung für den Verein und das jeweilige Projekt.“ 

Beim FCB warst du einer der ersten Neuzugänge und du hast auch schon unterschrieben, bevor der Aufstieg überhaupt feststand. Was hat dich vom Projekt in Bocholt überzeugt?
„Einerseits war das ein persönlicher Aspekt. Ich wollte privat einige Dinge anders strukturieren, gerade was Trainingszeiten angeht. Meine Priorität liegt zwar immer noch beim Fußball, aber mir ist inzwischen das Studium genauso wichtig. Bei Vereinen wie Oberhausen wird dann um 14 Uhr trainiert, dann ist man um 13 Uhr da und könnte nur bis 12 Uhr in die Uni. Ich wusste also, dass wenn ich mit der Uni vorankommen möchte, da etwas ändern muss. Irgendwann will man ja auch mal fertig werden damit (lacht). Und andererseits hat man sich natürlich auch immer mal wieder umgehört. Da ist Bocholt immer wieder gefallen. Dazu kam die Erinnerung an das Pokalspiel in Bocholt (Anm. d. Red.: 2:1-Sieg gegen RWO im März 2019), wo Bocholt wirklich geilen Fußball gespielt hat. Der Spielstil hat mir sehr gefallen. Ich hab mich dann immer mehr damit beschäftigt, den Verein verfolgt und auch gesehen, dass Spieler wie Kevin Grund und Marcel Platzek hier spielen. Mit Kevin habe ich mich dann auch über den Verein unterhalten und überall hat man nur positives Feedback bekommen. Dazu kommen die Ambitionen und die Strahlkraft, die ich anfangs echt unterschätzt habe. Das hat mich am Ende überzeugt und mir war es dann egal, ob ich hier nochmal ein Jahr Oberliga spielen müsste und wir dann aufsteigen oder es hier direkt in der Regionalliga losgeht.“ 

Wie wurdest du vom Team aufgenommen?
„Wunderbar. Den ein oder anderen kannte ich ja schon. Deswegen bin ich etwas schneller unter die Leute gekommen, als wenn man gar keinen kennt. Aber auch die Spieler, die danach kamen, da wurde jeder unkompliziert und mit offenen Armen aufgenommen. Eine sehr, sehr entspannte Atmosphäre innerhalb der Kabine. Wir haben keine Gruppenbildung und jeder ist gleichwertig, kann sich äußern, wenn er was sagen will und macht seine Scherze. Es ist wirklich was Besonderes, wie das Team hier neue Spieler aufnimmt.“

Wo siehst du deine persönlichen Stärken auf dem Feld?
„Erstmal würde ich behaupten im Defensiven. Mentalität ist glaube ich ein Punkt. Mir kann man glaube ich nicht nachsagen, dass ich im Spiel nicht immer alles reinwerfe. Ich komme sehr über mein Tempo, meine Zweikämpfe und Einwürfe. Für die Regionalliga kann ich da einiges mitbringen. Wie man zuletzt ja auch gesehen hat, bin ich auch sehr variabel. Bis auf Sechser und Linksaußen habe ich, glaube ich, schon jede Position gespielt. Im Spiel gegen Rödinghausen habe ich in 90 Minuten auf vier Positionen gespielt. Bin als Stürmer gestartet und habe als Innenverteidiger aufgehört.“ 

Auf welcher Position fühlst du dich am wohlsten?
„Schwierige Frage. Mir ist das eigentlich egal. Ich fühle mich überall wohl. Wenn ich es aussuchen müsste, würde ich vermutlich Außenverteidiger sagen. Da sind die Anforderungen am interessantesten, weil du dich offensiv einschalten kannst, aber ich auch meine defensiven Stärken einbringen kann.“ 

Was glaubst du, ist mit dem Team in dieser Saison möglich?
„Ich glaube nach dem Sieg in Rödinghausen weiß jeder, dass wir eine super Rolle spielen können. Wir müssen es aber jedes Spiel abrufen. Wir sind aber so realistisch, dass wir wissen, dass das erste Ziel erstmal der Klassenerhalt ist. Jede Position, die es dann weiter nach oben geht, nehmen wir gerne mit.“ 

Abschließend: Was machst du gern in deiner Freizeit?
„Ich gucke sehr gerne Football. Jeden Sonntag von 19 Uhr bis 3 Uhr morgens. Ansonsten verbringe ich sehr gern Zeit mit meiner Freundin. Essen gehen, Dinge unternehmen und nicht soviel rumliegen. Gern auch viel reisen.“ 

Vielen Dank für das Interview, Jeffrey!